Interviews auf dem roten Teppich – Sie ist der heimliche Star der Oscars
An den Oscars führt Amelia Dimoldenberg unbeholfene Interviews mit Hollywood-Grössen – und knüpft damit an ihr Erfolgsformat «Chicken Shop Date» an.
Noemi Hüsser
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Warum nicht mit Dwayne «The Rock» Johnson Schere, Stein, Papier spielen? Das hat sich Amelia Dimoldenberg gedacht und ihn auf dem roten Teppich der Oscar-Preisverleihungen zu einer Partie herausgefordert. Und verloren, weil er nicht wie erwartet Stein gewählt hat.
Amelia Dimoldenberg hat an der Oscar-Verleihung für die Social-Media-Kanäle der Akademie auf dem roten Teppich die Gäste interviewt und wurde so zum heimlichen Star der Oscars. Der unbeholfene Interviewstil, den sie auch gestern Nacht zeigte, hat sie berühmt gemacht.
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Dimoldenberg verdankt ihre Karriere vor allem der Youtube-Show «Chicken Shop Date». Die 30-jährige Britin ist Star und Erfinderin der Show mit einfachem Konzept: Sie setzt sich mit Schauspielern und Musikerinnen in einen Güggeli-Imbiss, isst mit ihnen Nuggets und stellt unangenehme Fragen.
Sie imitiert dabei ein erstes Date und parodiert damit gleichzeitig sowohl das Konzept von Dates als auch das von Interviews. Ohne die Gäste einzuführen, wechselt Dimoldenberg Schlag auf Schlag das Thema, ist oft flirty und sarkastisch, manchmal unangenehm und konfrontierend, dabei aber nie fies oder böse.
«Hallo, ich bin die zukünftige Herausgeberin der ‹Vogue›»
Sie fragt Jack Harlow, ob er lesen könne, bringt den Dokumentationsfilmer Louis Theroux zum Rappen («My money don’t jiggle jiggle, it folds»), versucht, Harry Styles’ Nummer herauszufinden, und erkundigt sich nach Jennifer Lawrence’ Kinks (muss man sich auch erst trauen, Interviewgäste nach den sexuellen Vorlieben zu fragen). Angereichert wird die Show mit stillen Aufnahmen der Pouletrestaurants, die die Atmosphäre einfangen und eine unangenehme Stille zwischen den Gesprächsteilen simulieren.
Amelia Dimoldenberg ist in London aufgewachsen, war in der Schule ein «Overachiever» (sie stellte sich mit «Hallo, ich bin die zukünftige Herausgeberin der ‹Vogue›» vor) und studierte Modejournalismus. 2011 – während des Studiums und mit 17 Jahren – startete sie «Chicken Shop Date». Zuerst als Kolumne in einem Jugendmagazin, drei Jahre später als Youtube-Videos. Damals sei sie selbst noch nie auf einem Date gewesen, erzählte sie der «Washington Post». «Vielleicht ist die Show deshalb so seltsam», meint sie.
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Zu Beginn von «Chicken Shop Date» interviewte sie Grime-Musiker aus London, heute sind ihre Gäste internationale Stars. In den neusten Staffeln (die Dimoldenberg auf Englisch nicht als «seasons», sondern als «seasonings» bezeichnet) wagten sich Leute wie Rosalía, Ed Sheeran, die Jonas Brothers und Cher auf Dates mit Dimoldenberg.
Es ist die unangenehme Stille, die Spannung und eine etwas aufgezwungene Interaktion, die «Chicken Shop Date» zu «Chicken Shop Date» machen. Was andere rausschneiden würden, lässt Dimoldenberg drin, dehnt es sogar aus und macht es zum Charakter der Show. Während der Dates sei sie eine Übertreibung ihrer selbst, sagt Dimoldenberg. Sie verstärkt ihre Unbeholfenheit, wirkt aber gleichzeitig nie uninteressiert oder unvorbereitet.
Durch den Erfolg von «Chicken Shop Date» gründete Dimoldenberg eine eigene Produktionsfirma. Mit Dimz Inc. produzierte sie weitere Youtube-Shows: eine Kochsendung, Strassenumfragen und Interviews mit Fussballerinnen. Dann kamen Auftritte auf roten Teppichen und damit immer auch virale Videoausschnitte davon: ein flirty Interview mit Ryan Gosling an der Premiere von «Barbie». Oder ein Gespräch mit Andrew Garfield an den Golden Globes, in dem ihre Fragen Garfield nur zum Kichern brachten.
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Dem «Guardian» sagte Dimoldenberg über ihre Art, Interviews zu führen: «Oft fühlt es sich an, als würde ich das Offensichtliche sagen, aber ich glaube, die Leute sind das nicht gewohnt. Oder vielleicht ist mein Offensichtliches nicht das Offensichtliche von allen anderen.» Mit Dwayne «The Rock» Johnson Schere, Stein, Papier spielen – ziemlich offensichtlich eigentlich.
Sie entwaffnet die Stars
Dimoldenberg macht ihre eigene Peinlichkeit zu einer Art Gesprächsführung. Für kritische Fragen oder tiefgehendere Einordnungen bleibt hier zwar nicht viel Platz, aber das ist auch in Ordnung. Denn Dimoldenberg verwebt Journalismus mit Comedy.
Sie entwaffnet medientrainierte Stars und macht ihre Gäste so auf eine ganz neue Art zugänglich. Mit dieser Fähigkeit ist Dimoldenberg eigentlich für Grösseres bestimmt. Dessen ist sie sich offenbar bewusst, denn sie spricht selbst bereits über eigene TV-Formate und eine Talkshow. Und darüber, dass ihr Erfolgsformat «Chicken Shop Date» demnächst zu einem Ende kommen könnte.
Rapper Drake möchte sie noch in der Show, als letztes Date. Er habe seine Bereitschaft dafür schon gezeigt, nur die Details – wann und wo das Ganze gefilmt werde – seien noch offen. Bis dahin bleibt Dimoldenberg das «Chicken Shop Girl», bei dem Stars oft aufgeregter sind, es zu treffen, als umgekehrt.
Noemi Hüsser war bis Ende März 2024 Volontärin im Ressort Leben.Mehr Infos
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